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Über
Kaiser Wilhelm II. und sein Verhältnis zur Kunst ist und wurde viel
gesagt und geschrieben. In der Quintessenz bleibt festzuhalten, daß
der Kaiser ein vielseitig begabter Mensch war, aber so richtig gut
gar nichts konnte. Zu seiner Entlastung sei gesagt, daß er sich
dessen bewusst war:
„Wenn ich das Talent gehabt hätte, wäre ich kein Kaiser,
sondern Marinemaler geworden.“
Nur
eine überschaubare Anzahl eigenhändiger Zeichnungen kamen zu seinen
Lebzeiten an die Öffentlichkeit. Gern zeichnete er neben vielen
Schiffsmotiven den Erzengel Michael, den Schutzheiligen der
Deutschen. Hier einige Beispiele: |
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Links
und Mitte aus G. Franzius „Kiau-Tschou“, Berlin, 1898, rechts
Gedenkblatt für Wilhelm I. aus
„Unser Heldenkaiser“ Berlin, 1897. |
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Der
Römmler & Jonas-Verlag (Dresden) gab sogar eine Reihe
Ansichtskarten mit Handzeichnungen Wilhelms zum Besten von
Lungenkranken heraus.
Hier
zwei Szenenbilder zum Schauspiel „Der Burggraf von Nürnberg“
und einen Pokalentwurf für einen Regatta-Preis. |
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Meistens
beschränkte er sich auf Entwürfe, die dann von Profis umgesetzt
wurden. So oft bei Denkmälern,
Uniformen, Pokalen, Auszeichnungen und Gebäuden (Bahnhöfe und andere
öffentliche Bauten), wobei er zu letzteren eher Änderungen in
Zeichnungen von Architekten anregte, als selbst entwarf.
In
zwei Fällen ist bekannt, daß Wilhelm II. sich Unterstützung bei
seinem Mallehrer, dem Professor
Hermann Knackfuss
(11.08.1848, Wissen – 17.05.1915, Kassel) holte, um Ideen wirklich
befriedigend umzusetzen. Knackfuss ist heute fast vergessen. Zu
seiner Zeit war er ein bedeutender Historienmaler, der durch seine
engagierte Genauigkeit auffiel. Für ein Gemälde recherchierte er
lange, um Details möglichst genau zu malen und arbeitete nach Fotos,
um zum Beispiel Körperhaltungen exakt abzubilden. Dies brachte ihm
Anerkennung bei Freunden des Genres, aber auch Spott und den Vorwurf
der Penibilität von Kritikern und modernen Künstlern ein,
schließlich war zu seiner Zeit der frische Impressionismus und
Jugendstil en vogue. Diese beiden Werke in „Koproduktion“ Wilhelm &
Knackfuss entstanden ab April 1895. In beiden Fällen wollte der
Kaiser offensichtlich einen Ausspruch, ein Motto, besonders
wirkungsvoll durch ein Bild transportieren. |
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1.) Niemand zu
liebe. Niemand zu leide!
Was hier gesagt werden soll, ist eigentlich offensichtlich. Wir
wollen uns nicht verbiegen, um jemandem zu gefallen und wir wollen
auch keinem Leid antun. Heute würde man umgangssprachlich sagen:
„Lasst mich in Ruhe, ich mach mein Ding, ich tu euch nichts.“
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Das
Bild fand als hochwertiges Schmuckblatt nur geringe
Verbreitung. Wieder der Erzengel Michael, der das
friedliche Volk hinter ihm beschützt vor den Teufeln im
Vordergrund.
Links Entwürfe Wilhelms,
Rechts die Umsetzung von Professor Knackfuss. |
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2.) Völker Europas wahrt eure heiligsten Güter
Zum
Schluss das wohl bekannteste Bild Wilhelms II., entstanden unter dem
Eindruck des
Japanisch-Chinesischem Krieg 1894.
Er sah die drohende Gefahr eines durch Japan mobilisierten
chinesischen Ansturmes auf Europa. Viel interpretiert, falsch
gedeutet, parodiert und sogar umgetitelt. Hier muß nicht alles
wiederholt werden, was bereits in der
Wikipedia steht, nur ein paar
Stichworte, was oft unklar ist: |
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Es gab nie ein
farbiges Ölbild, nur eine Zeichnung.
Der Titel „Die Gelbe Gefahr“ ist eine Erfindung der
amerikanischen Zeitung „Harper´s Weekly“. Die haben
den Untertitel („The yellow peril“) unter den Abdruck
in ihrem Blatt gesetzt.
Das Original des Bildes ist verschollen. Nach den Angaben in
der russischen Wikipedia soll es sich im Sommersitz des
Zaren, dem
Liwadija-Palast
auf der Krim befinden. Der Entwurf des Kaiser befindet sich
in der Sammlung Huis Doorn.
Es wird viel gerätselt, wer die 7. Frau links ist. Viel
spricht für Portugal, aber gesichert ist das nicht.
Spannender ist, daß es eine 8. Frau gibt, die von Britannia
verdeckt wird, nur der rechte Arm ist erkennbar, auf dem die
Hand der 7. Frau liegt. Hier wird wegen der Nachbarschaft zu
Portugal auf Spanien spekuliert. |
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Ansonsten
verweise ich Interessierte auf den neuen, hervorragenden Artikel von
Prof. Dr. Folker Reichert in der Historischen Zeitschrift Nr.15,
2024. Hier werden viele Details erklärt, die man auf kleinen
Abbildungen gar nicht erkennt und die weltweiten politischen
Auswirkungen erläutert. |
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Oben
links der Entwurf Wilhelms (noch mit der Germania, statt dem
Erzengel Michael). Rechts das fertige Bild von Prof. Knackfuss, wie
es Tausendfach verkauft wurde. Links unten eine russische
Ansichtskarte mit koloriertem Bild.
Auch
wenn der Kaiser von verschiedenen Seiten verspottet wurde, so muss
man ihm doch eine gewisse prophetische Ahnung zubilligen. Kurz nach
der Veröffentlichung kam es 1901 zum Boxeraufstand in China, wo der
Westen zusammen agierte und im 1904 folgenden Russisch-Japanischem
Krieg zeigte sich die Macht Japans… |
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Literaturauswahl |
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„Der Kaiser und die
Kunst“ Paul Seidel, Berlin 1907.
„Kaiser Wilhelm II als Zeichner und Maler“ Ausstellungskatalog der
Kunsthalle Wilhelmshaven, 2003.
„Kaisers Kunst“ in Der SPIEGEL Nr. 43, 1981.
„Der letzte Kaiser Wilhelm II. im Exil“ Ausstellungskatalog DHM
1991.
„Die Berliner Seccession“ Peter Paret, Severin und Siedler, Berlin
1981.
„Europas heiligste Güter. Wilhelm II., Hermann Knackfuß und die
„Gelbe Gefahr““ Prof.Dr. Folker Reichert in Historische Zeitschrift
Nr.15, 2024. |
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