(von Arne Schöfert)
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Einführung
Kaiser Wilhelm II. reiste viel – teils aus politischen
Beweggründen und teils aus persönlichem Interesse. So viel, dass sein Namenskürzel
Wilhelm I.R.(Imperator Rex) als „Immer Reisebereit“ verballhornt wurde. Er
galt als großer Norwegenfreund. In den Jahren 1889 bis 1914 unternahm er insgesamt
26 „Nordlandfahrten“, die ihn bis auf die Jahre 1893, 1895 und 1905 in den
Ostseeraum (Schweden und Russland), immer nach Norwegen führten. Die bereisten
Gebiete wechselten. Meistens wurde jedoch der Raum zwischen Trondheim und
Bergen, mit den Städten Molde, Alesund und dem Sognefjord, angelaufen. Dort
finden sich auch diverse Spuren.
Die Reisen wurden mit den Kaiseryachten „Hohenzollern“
(später „Kaiseradler“) und ab 1894 mit der „Hohenzollern II“ unternommen.
Einmal (1906) musste er wegen Überholungsarbeiten an der „Hohenzollern II“
auf den Passagierdampfer „Hamburg“ der HAPAG ausweichen.
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Hohenzollern (I)
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Hohenzollern II vor Alesund
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Die vielen Norwegenfahrten
führten dazu, dass man in Deutschland genauso gut wusste wo Balestrand wie
Potsdam war und eine touristische Reisewelle nach Norwegen, ja eine wahre
Nordlandbegeisterung startete. Tatsächlich hatten die frühen deutschen Norwegentouristen
aber nicht nur eine Landesbesichtigung im Sinn, sondern spekulierten darauf
ihrem Kaiser auf der Fahrt zu begegnen. Die veranstalteten Reisen im Reisezeitraum
des Kaisers waren fast immer ausgebucht, während andere an mangelnden Buchungen
scheiterten.
Birgit Marschall beschreibt in ihrem Buch zu den Nordlandfahrten („Reisen
und Regieren“ – Die Nordlandfahrten Kaiser Wilhelms II., Hamburg 1991) humorvoll
die Eindrücke, die deutsche Pauschaltouristen gelegentlich im Land machten:
„Nicht selten hinterließen die deutschen Touristen im Gastland einen negativen
Eindruck. Sie galten als anspruchsvoll und laut. Die frühen Fotografien von
Kreuzfahrten dokumentieren die herrischen Gebärden der deutschen Reisenden:
Bewaffnet mit der Reichskriegsflagge glichen sie in den dünn besiedelten Fjordregionen
eher einem Eroberungskommando als friedlichen Touristen. Überhaupt traten
die Deutschen am liebsten in Gruppen auf. Sie schätzten das Reisen in Form
von Pauschalarrangements und blieben wegen der für viele unüberwindlichen
Sprachbarriere für sich.“
Trotzdem war man damals und ist noch heute dem Kaiser vielerorts dankbar,
da seine Reisen die Initialzündung für den Norwegentourismus der Deutschen
waren.
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1. Trondheim
Der Wikinger-König Olav Tryggvason ließ 997 an
der Mündung des Flusses Nidelva einen Königshof und eine Kirche bauen, was
als Stadtgründung gilt. Bis zur Reformation 1536 war Trondheim Sitz der norwegischen
Erzbischöfe. Der frühere König Olav war inzwischen Heilig gesprochen worden
und sein Grab Wallfahrtsort für Pilger. Während der Reformation wurde sein
Grab geheim verlegt. Der genaue Ort ist unbekannt, wird aber unter dem Nidarosdom
vermutet. Der Dom wurde 1070 begonnen, doch zahlreiche Brände vernichteten
immer wieder Teile des norwegischen Nationaldenkmals. Zeitweise wurde die
Domruine als „Steinbruch“ durch die örtliche Bevölkerung missbraucht. Erst
im Zuge des zunehmenden nationalen Bewusstseins wurde 1869 mit der umfangreichen
Restaurierung und eigentlichen Fertigstellung begonnen, die hundert Jahre
dauern sollte. Den Bau unterstützte Kaiser Wilhelm II. durch mehrfache, großzügige
Spenden. Der Dom ist Norwegens einzige Kathedrale und Krönungsstätte der norwegischen
Könige. Seit 1988 werden dort die Krönungsinsignien verwahrt.
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2. Alesund
Als der Fischerort am 23.Januar 1904 in den Schlagzeilen
der Zeitungen auftauchte, war er dem Kaiser gut bekannt, da er regelmäßig
dort anlegte. Ein verheerendes Großfeuer hatte über 800 der Holzhäuser des
Ortes vernichtet. Die obdachlosen Einwohner standen bei -20° vor dem Nichts.
Als erster leitete er sofort eine umfangreiche und großzügige Hilfe mit Baumaterial
und Spenden für den Wiederaufbau ein. Die Stadt wurde im Rahmen einer großen
Aktion und unter Mitwirkung internationaler Architekten und Baumeister innerhalb
von zwei Jahren fast komplett im Jugendstil neu errichtet – diesmal mit Steinhäusern.
Durch den schnellen Aufbau in einem engen Zeitfenster ist das zum Großteil
erhaltene, geschlossene Straßenbild im Jugendstil einmalig. Die Erinnerungen
für die kaiserliche Hilfe finden sich auch heute vielerorts im Stadtbild:
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Keiser Wilhelm Straße
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Kaiser-Bar (mit Eitel-Friedrich-Bar, Prinz Adalbert Tanz-Salon
und Kaiser-Wilhelm-Gästehaus)
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Kaiser-Wilhelm-Ausflugsschiff
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Denkmal zum Dank für die Hilfe im Stadtpark
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Außer diesem Denkmal
ist noch ein weiteres kleines Erinnerungsdenkmal in Norwegen, auf den
Lofoten, für Kaiser-Wilhelm II bekannt. Dort erinnert man auf dem Digermulkollen
an den kaiserlichen Besuch. Dieses Denkmal wurde nach dem 2.Weltkrieg
entfernt, weil man von den Deutschen insgesamt nichts mehr wissen wollte.
Erst in den 80er Jahren baute die örtliche Bevölkerung das Denkmal selbst
wieder auf und veranstaltet heute regelmäßige „Kaiserwanderungen“.
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Denkmal auf dem Digermulkollen,
Lofoten Digermulen
Quelle:
http://www.jotes.de/lofoten2003/tour/lofoten13.htm#digermulkollen
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Eigentlich kaum erwähnenswert:
In Alesund wird selbstverständlich in der Multimedia-Präsentation des Jugendstil-Museums
und im Stadtmuseum der großzügigen Hilfe durch den deutschen Kaiser gedacht.
Interessantes stöberte ich im Bildermagazin des Stadtmuseums auf, als die
Konservatorin mir ein großes Kaiser-Wilhelm-Gemälde zeigen wollte: Vier Aquarelle
von Themistokles von Eckenbrecher (1842-1921), die Stadtszenen nach dem Brand
zeigen. Der Maler kam mit einem der ersten Hilfsschiffe aus Deutschland und
ist mir durch seine Kolonialbilder ein Begriff. Die Museumsangestellte konnte
mit dem Namen allerdings nichts verbinden.
Die Kirche von Alesund mit dem sehenswerten,
bemalten bogenförmigen Altarraum erhielt nicht nur Spendengelder, sondern
auch drei bemalte Glasfenster hinter der Orgelempore von Kaiser Wilhelm II.
(links das kaiserliche Wappen, mitte St.Olav, rechts das Stadtwappen von Alesund).
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3. Sognefjord – Vangsnes
Mit der Norwegen-, oder besser Nordlandbegeisterung
wurde die bereits 1825 erschienende „Frithiofs saga“ populär: Eine klassische
Romanze, die zu grauer Frühzeit um den Bauernsohn Fritjov und das Reich des
König Bele spielt. Das Vorlesen der Geschichte gehörte zu den festen Ritualen
während der Nordlandfahrten auf der Hohenzollern. Wilhelm meinte die Schauplätze
der Saga in Balestrand und Vangsnes zu erkennen und wollte Denkmäler stiften.
Man mokierte sich damals über die Art und Weise, wie der deutsche Kaiser seine
Ideen verwirklicht sehen wollte.
Einmal verblüfften die pompösen Pläne des riesigen
Fritjov-Denkmals (12 Meter hoch auf 14 Meter Granitsockel) für den kleinen
Ort und zweitens war man erstaunt, dass der Kaiser die Standorte der Denkmäler
selbst festlegen wollte, schließlich handelte es sich um fremden Grund und
Boden. Heute ist man jedoch zufrieden mit den damaligen Geschenken, besonders
in dem kleinen Ort Vangsnes, wo es außer einem Fähranleger und einem Campingplatz
wenig gibt. In einem Gespräch mit der örtlichen Ladenbesitzerin erzählte mir
diese eine nette Geschichte: Ihr Großvater war zu jener Zeit ein einflussreicher
Großgrundbesitzer. Ihm gehörte auch der Boden auf dem das Denkmal gebaut werden
sollte und stiftete das gewünschte Land zum Bau. Als Zeichen seines Reichtums
und Einflusses verlangte er kein Geld dafür. Der Kaiser bedankte sich persönlich
bei ihm und schenkte ihm gleich seinen Gehstock, der das Interesse des Mannes
gefunden hatte. Der Stock ist heute noch im Besitz des Sohnes, dem Vater der
Kauffrau.
Das Denkmal wurde in Berlin von Erich Unger in Teilen vorgefertigt, nach Vangsnes
verschifft und dort aufgebaut. Den Sockel hat ein Unternehmen aus Bergen gebaut.
Die Statue wurde am 31.7.1913 im Beisein von
Kaiser Wilhelm II. und König Hakoon im Rahmen eins großen Staatsaktes enthüllt.
Hierzu wurde sogar gefilmt.
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„Den Norwegern – Kaiser Wilhelm II.- 1913“
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4. Sognefjord – Balestrand
Auf der anderen Seite des Fjordes, gegenüber
von Vangsnes, liegt Balestrand. Wilhelm ankerte doch regelmäßig. Er besuchte
unter anderem den Maler Hans Dahl, der in Düsseldorf gelernt hatte und dort
sein „Strandheim“ hatte, eines der hübschen Häuser, die im Schweizer Stil,
aber mit nordischen Drachenköpfen am Dach, erbaut wurden. Es gab dort eine
regelrechte Künstlerkolonie. Dahl gehörte zur „national-romantischen“ Schule,
über die das norwegische Künstlerlexikon abschätzig urteilt: „Ihre Bilder
waren gezeichnet von einer endlosen Reihe lächelnder Bauernmädchen im Sonnenschein
mit frisch gebügelten Kleidern“.
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Im Museumsshop des Kunstmuseum
Bergen wollte man den Maler nicht einmal kennen. Es bleibt offen, ob das aus
prinzipieller Missachtung oder tatsächlicher Unkenntnis gesagt wurde. Laut
Internet erreichten seine Bilder aber bei jüngsten Versteigerungen Preise
bis zu 12.500 US $.
In Dahls Garten, leicht durch die Malereien am
Bootshaus zu erkennen, fanden dann häufig Gartenfeste mit Tanz statt.
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Hans Dahl beim Anleger seines Hauses und das Haus heute
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In Ufernähe, in einem kleinen
Park, steht das zweite gestiftete Denkmal. Wesentlich kleiner und weniger
aufdringlich: Der sitzende König Bele. Ausgeführt von Emil Graf von Schlintz
gen Görtz.
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Größtes Haus in Balestrand
war damals das Kviknes Hotel, Ein schönes Hotel mit Restaurant in wunderschöner
Lage, das heute damit wirbt, das der Kaiser häufig dort anwesend war und gegessen
hat. Angeblich hat er dort auch mal übernachtet, obwohl er üblicherweise zur
Nachtruhe immer wieder auf seine Yacht zurückkehrt ist.
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Kviknes Hotel
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Barfenster
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Geschenkrahmen
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Im
Hotel findet sich nicht nur eines der üblichen Bilder im Geschenkrahmen, sondern
eine Vielzahl von Bildern und Photos des Kaisers. Besonders interessant ist
ein geschnitzter Sessel, der unter der Sitzfläche eine Tafel hat. Dort ist
festgehalten, dass Kaiser Wilhelm am Nachmittag des 25.Juli 1914, zwischen
17.00 und 17.30 auf diesem Sessel saß, während er bei Hans Dahl zu Besuch
war. In seiner Begleitung waren Graf von Wedel, H.von Dohna, General von Seeberg
und Oberstleutnant von Hahnke. Das österreichische Ultimatum an Serbien lief
um 18.00 ab. Direkt von dort machte er sich dann auf den Rückweg nach Kiel.
Auf diesem Stuhl hat der Kaiser also die letzten
Friedensstunden verbracht, ist kurz danach abgereist und hat Norwegen nie
wieder gesehen.
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Fritjov-Statuette |
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Abschied...
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Da es thematisch
passt, hier noch die Sammelbilder-Serie von Breuers Kaffee |
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Literatur
und Quellen: |
„Alesund kirke – Et landemerke og et budskap“.
Harald Grytten, Alesund 1996
„Marco Polo Reiseführer Norwegen“ Mairs Geographischer Verlag Ostfildern
2004 |
„Reisen und Regieren“ – Die Nordlandfahrten
Kaiser Wilhelms II., Birgit Marschall, Hamburg 1991
„Kaiser Wilhelm´s II. Reisen nach Norwegen 1889 und 1890“ Paul Gützfeldt,
Berlin 1890
„Nord- und Südlandfahrten Kaiser Wilhelm II.“ Adalbert von Hanstein, Berlin
1890
„Kaiser Wilhelm II. und die Marine“ Georg Wislicenus, Berlin 1912 |
„Kviknes Hotel – A fairy-tale by the Sognefjord“
Hans Martin Undertal, Skald 2002 |
„Fritjov den Frokne” Arne Inge Saebo,
Vik Lokalhistorikse Arkiv o.J. |
„Fotoarchiv Heike Schöfert“ |
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