Die
Jagdschlösser unsers Kaisers
In
den ersten Kulturstufen der Menschheit waren es die
gewaltigen Jäger, welche Ihre Stammesgenossen vor den
reißenden Tieren des Waldes schützten. Aber auch wenn der
Feind nahte, waren sie es, die waffenfähige Mannschaft
zusammenriefen und zum Kampf und zum Siege führten. So
wurden aus den hervorragenden Jägern die Führer im Kriege,
die Feldherren und Fürsten der Völker. So ist es geblieben
bis auf den heutigen Tag, und noch immer, nach Jahrtausenden
huldigen unsere Fürsten dem edlen Weidwerk und strahlen als
leuchtende Vorbilder unter der Bruderschaft des Hl.
Hubertus. Im grünen Wald bei Hörnerschall und Rüdengebell
fanden sie Frische des Körpers und des Geistes, Gesundheit
und Erholung von den Sorgen der Regierung.
In
den bevorzugten Jagdgründen wurden meist einfache
schmucklose Schlösser errichtet, um den hohen Jägern und
ihrem Gefolge für die Zeit des Jagdaufenthaltes Unterkunft
zu gewähren. Diese Jagdschlösser und die sie umgebenden
Jagdgründe sind daher eng mit der Geschichte des Landes
verknüpft; und das Studium dieser ehrwürdigen Gemäuer bietet
des Interessanten genug.
Im
Norden der Residenzstadt Berlin, genau in der Mitte zwischen
den Punkten, wo sich Havel und Oder nähern, dehnen sich noch
heute riesige Waldkomplexe aus, welche einst durch nunmehr
trocken liegende Sümpfe eine fast undurchdringliche Wildnis
darstellten. Hier hausten vor grauen Zeiten die riesigen
Tiere einer untergegangenen Schöpfungsperiode. Auf das
Mammut, dessen aufgefundene Backenzähne die Existenz
desselben nachwiesen, folgten Elch und Schelch, Wisent und
Ur, Bär, Wolf und Luchs. Nach und nach verschwand das
Raubwild, Schelch und Ur starben aus, Wisent und Elch zogen
sich zurück, und nur der König des Waldes, der edle Hirsch,
blieb als privilegiertes Jagdtier der Herrscher des Landes,
welcher bis zum heutigen Tag jene herrlichen Jagdgründe zu
seinen Lieblingsrevieren zählt. Auf die Fürsten der
wendischen Pfahlbauern folgten die Askanier, welche sich an
den Ufern der beiden schönsten Seen der Mark, dem
Werbelliner und dem Grimmitzsee, ein Heim schufen und dort
eine Grenzburg, das grimmitzer Schloß sowie zwei
Jagdschlösser, Werbellin und Breden, erbauten. In Grimmitz
und in Werbellin spielte sich ein wichtiger Teil der
märkischen Geschichte ab. Beide Schlösser sind heute
verfallen. Auf den Trümmern des werbelliner Schlosses ließ
Prinz Karl von Preußen einen Turm erbauen, der am 2. Oktober
1879 eingeweiht wurde.
Die
Perle diese herrlichen Jagdgründe ist der werbelliner Forst,
heute die Schorfheide genannt. Die Schorfheide ist einer
jener Brunftplätze, welche beim Nahen des Herbstes mit
magischer Gewalt die Könige des Waldes aus fernen Gegenden
des nordöstlichen Deutschlands anziehen. Aus allen Teilen
der Mark, aus Pommern, Mecklenburg, ja selbst aus Preußen
ziehen die Hirsche alljährlich der Schorfheide zu, um nach
einem Aufenthalt von fast vier Wochen in ihre Standquartiere
zurück zu wechseln. Wer zeigt ihnen den Weg? Wer gibt ihnen
die Reiseroute? Noch heute finden sie bei finsterer Nacht
die Wechsel, welche vor Jahrtausenden ihre Ahnen eingehalten
und weder veränderte Kulturverhältnisse noch neu entstandene
Dörfer stören sie; unaufhaltsam wechseln sie durch, nichts
hinterlassend als die Fährte ihrer flüchtigen Schalen. Die
Schorfheide beherbergt an die 3000 Stück Rotwild; die Ziffer
verdoppelt sich nahezu in der Brunftzeit.
Nachdem
die fürstlichen Schlösser der Askanier gefallen, gewährte
die Schorfheide lange Zeit den preußischen Herrschern sein
würdiges Unterkommen und erst Friedrich Wilhelm IV. ließ in
der Näh des Werbelliner Sees das auf unserer Zeichnung
dargestellte Jagdschlößchen Hubertusstock im Schweizerstil
aufführen. Vor ihm, auf einer schmucklosen Säule, steht das
Bild des Hl. Hubertus, welches der Stätte schon in grauer
Vorzeit den Namen verliehen hatte. Dicht am Schlosse
befindet sich der Brunftplatz, und das nahe „Röhren“ der
Hirsche läßt die fürstlichen Jäger in ihren Betten nicht
ruhen. Die Schorfheide ist das großartigste Edelwildrevier
des europäischen Kontinents und zu den fürstlichen
Prunkjagden, die hier alljährlich abgehalten werden, wie
geschaffen. Es ist das einzige Revier, wo Jagden auf
Edelwild in großartigem Maßstab, welche an die entschwundene
Größe des heutigen Weidwerkes erinnern, aus dem Freien
eingerichtet und mit Jagdzeugen eingestellt werden können.
Ein
ähnlich günstiges Jagdterrain lag im Südosten Berlins
zwischen Spree und der eine ganze Kette von Seen bildenden
Dahme. Der Reiz der jagdlichen Genüsse wurde nicht wenig
durch ein im Jagdrevier Dubra befindliches, bedeutendes
Reihergestände erhöht, welches reiches Material für die
Beizjagd lieferte. Das Hauptquartier dieser wildreichen
Gegend, welche steten Ersatz aus dem Spreewald erhielt war
Königswusterhausen. Die alte, den Wenden abgenommene Burg
Wusterhausen war bis 1370 markgräflich, worauf sie in den
Besitz derer von Schlieben und 1475 derer von Landsberg
überging. Im Jahr 1683 kaufte sie der Kurprinz Friedrich
zurück, welcher sie 1693 seinem Sohn, dem späteren König
Friedrich Wilhelm I. schenkte. Als dieser den Thron seiner
Väter bestieg, legte er dem von ihm lieb gewordenen
Jagdschloß den Namen Königswusterhausen bei. Das dabei
liegende Dorf Wendisch-Wusterhausen, welches sich zu einem
Städtchen entwickelt hatte, erhielt den Namen
Königswusterhausen. Der König blieb seiner Neigung für den
Ort treu und hielt alljährlich zur Jagdzeit, gewöhnlich von
Ende August bis Mitte Oktober, in Königswusterhausen Hof.
Die
knapp bemessenen Räumlichkeiten des kleinen Schlößchens
legten dem Gefolge, besonders den Damen, manche unbequeme
Einschränkung auf. So mußte unter anderem stets in einem
großen türkischen Zelt, welches bei unfreundlichem Wetter
nur geringen Schutz gewährte, diniert werden. Allerdings
ging es dafür auch ziemlich lustig und ungezwungen im
Jagdlager her, und mancher kräftiger Jägerspaß wurde in
Scene gesetzt. Die dem bekannten Günstling Gundling
gespielten, oft derben Possensind weltbekannt. Einestags
legten man ihm zwei gezähmte Bären ins Bett, die den auf das
Lager taumelnden Schlafgenossen ziemlich unsanft empfingen.
Der König legte einen großen Thiergarten bei
Königswusterhausen an, und so sparsam er auch sonst war,
verwendete er bedeutende Summen auf die Falken- und
Parforcejagdequipage. Die Rebhühnerbestände wurden derart in
die Höhe gebracht, daß der König jeden Herbsteigenhändig
3000 bis 4000 Hühner erlegen konnte. Die höchste Zierde des
Schlosses war der von dem Kurfürsten Friedrich III. am
18.September 1696 im neubrücker Revier auf der
Jakobsdorf´schen Heide erlegte 66-Ender, den Friedrich
Wilhelm I. August dem Starken von Sachsen für eine Compagnie
großer Grenadiere (welcher der Stamm des 1.Garderegiments zu
Fuß wurde) überließ. Der berühmte 66-Ender ging nach
Moritzburg, wurde aber später durch eine gelungene Kopie
ersetzt.
Nach
dem Tode Friedrich Wilhelms I. verwaiste das Jagdschloß und
wurde erst von dem jetzigem Kaiser Wilhelm wieder
restauriert. Im Jahr 1860 wurde in den zu Königswusterhausen
gehörigen Waldungen Oberförsterei Hammer mit Dubro ein
Wildgehege von 6300 Hektar Umfang hergerichtet, das
Roth-,Dam- und Schwarzwild aus der Umgebung vor Schluß des
Gatters eingetrieben und der Park außerdem vom potsdamer
Wildpark aus mit Damwild besetzt. Am 27.November 1863 hielt
der Kaiser die erste und erst am 4.Januar 1872 die zweite
Hofjagd dort ab. Seitdem hält der Kaiser alljährlich von
Königswusterhausen aus Hofjagden ab.
Im
engen Zusammenhang mit Königswusterhausen steht das von
Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1714 erbaute Schlößchen Stern
bei Potsdam. Der König hatte dort ebenfalls einen großen
Thiergarten angelegt, der mit Roth- und Schwarzwild besetzt
wurde. Hier wurden im November und Dezember Jagden, meistens
auf Sauen, abgehalten. Heute dient das Jagdschloß Stern
vorzugsweise zum Rendevousplatz für die im dortigen Revier
veranlassten Parforcejagden und wird auch, seitdem die
Abhaltung der Hubertusjagd im Grundwald durch die zu
lebhafte Beteiligung der berliner Bevölkerung zur
Unmöglichkeit geworden, das Fest des heiligen Patrons jetzt
dort gefeiert.
Im Südwesten von Berlin, zwischen Spandau und Potsdam, dehnt
sich am linken Havelufer ein wohlgepflegtes Waldrevier, der
Grunewald, aus, der, als königliches Wildgehege zum größten
Teil eingegattert, einen bedeutenden Wildbestand (besonders
an Damwild) besitzt. Das Jagdschloß Grunewald, mitten in
diesem herrlichen Revier an einem kleinen See romantisch
gelegen, wurde 1542 von dem Kurfürsten Joachim erbaut und
„Zum grunen Wald“ genannt. Kaspar Theis und Koncz Buntschug
hießen, wie aus dem alten Bild in der Eintrittshalle zu
ersehen, die beiden Baumeister.
Das vierte große Jagdrevier des brandenburgischen
Herrscherhauses war die zwischen Gardelegen und Wolmirstedt
in der Altmarkt gelegene Colbitz-Letzlinger Heide, welche 5
Oberförstereien Colbitz, Planken, Burstall, Letzlingen und
Jävenitz mit einem Areal von 28.666 Hektar umfasst. Kurfürst
Joachim II., vorzugsweise aber dessen ältester Sohn, der
Kurprinz Johann Georg, erwählten diese herrlichen Bestände
zu ihrem Lieblingsjagdaufenthalt.
Um
sich ein Heim zu schaffen, kaufte der Kurprinz von der
Familie von Alvensleben eine Feldmark um 3000 Thaler und
begann den Bau des Schlosses, der 1560 vollendet wurde. Das
Schloß, damals Hirschburg genannt, diente bis 1608 den
Kurfürsten jährlich während der Jagdzeit zur Residenz. Als
die Greul des Dreißigjährigen Krieges die Hauptstadt
bedrohten, wurde der Kurprinz Friedrich Wilhelm (später der
Große Kurfürst) in dem stark im Verfall befindlichen
Schlosse geborgen. Wiederum war es der König Friedrich
Wilhelm I. Preußens größter Jäger, der das herrliche Revier
der Vergessenheit entzog. Er bewahrte das alte Schloß vor
dem gänzlichen Ruin, hob den Wildbestand und setzte 200
Stück Damwild aus dem potsdamer Wildpark dort aus. Als der
König Friedrich Wilhelm IV. auf einer Reise das alte
Jagdschloß besuchte, gab er in pietätsvoller Erinnerung an
seine großen Ahnen den Befehl das Schloß gänzlich zu
renovieren. Dasselbe bestand aus einem Mittelbau, welcher
einen kleinen Burghof im Viereck einschloß, und der nun um
ein Stockwerk erhöht wurde. Die vier Ecktürme und das
Thorwarthaus wurden ebenfalls im alten Stil
wiederhergestellt. Die inneren Räume wurden wohnlich
eingerichtet und die nötigen Wohnräume für die hohen
Jagdgäste geschaffen. Am 10.Oktober 1843 fand die erste der
Hofjagden statt, die seit 1858 ziemlich regelmäßig
alljährlich dort abgehalten werden.
Die
Göhrde und der springer Saupark kamen erst nach dem Jahr
1866 an Preußen. Es sind durch jahrhundertelange
weidgerechte Pflege und Ausübung des Weidwerkes geheiligte
Stätten. Die hannoversche Jägerei genoß von jeher eines
großen Rufs, den sie sich bis diesen Tag erhalten hat. Das
Jagdrevier der Göhrde erstreckt sich auf dem linken Elbufer
an der Bahnstrecke Wittenberge-Lüneburg, während das
Jagdschloß zur Göhrde in der von dem Oberförster Wallmann,
einem einer alten hannoverschen Weidmannsfamilie
entsprossenen Jäger von echtem Schrot und Korn, verwalteten
Oberförsterei Röthen liegt. Das Schloß ist ein
langgestreckter, niedriger Bau von 25 Fenster Front, der an
beiden Seiten durch zwei turmartige Bauten flankiert wird.
In dem kleinen saubern Vorgarten steht der heilige Hubertus
mit dem Hirsch. Neben dem Schößchen liegt das Cavalierhaus
zur Unterbringung des Gefolges. Im rechten Flügel des
Schlosses liegt die mit Jagdemblemen, unter welchen das, vom
dem Kaiser erlegte Hauptschwein sich befindet, reich
dekorierte Vorhalle, aus der man direkt in den Speisesaal
gelangt.
Ebenfalls
eine Stätte althannoverschen Weidwerks ist der etwa 2000
Hektar große Saupark bei Springe, an der Bahn von Hannover
nach Hameln gelegen. Die herrlichen Buchenbestände, welche
die Hänge des Deister zieren, verleihen dem Ort den Reiz der
Romantik. Das Jagdschloß ist ein ziemlich regelmäßiger,
ursprünglich viereckiger, einfacher Bau, dessen linker
Flügel zur Aufnahme der kaiserlichen Jagdherren eingerichtet
ist. In der Front liegen zwei dekorierte Empfangszimmer und
ein Billardsaal. Ein aus Gemskrikeln sehr stilvoll
zusammengesetzter Kronleuchter ist bemerkenswert. Vor zwei
Jahren wurde ein Speisesaal angebaut. Das Gefolge ist in dem
nahen Cavalierhaus untergebracht.
Sämtliche
dem Leser vorgeführte Schlösser beherbergen fast alljährlich
den kaiserlichen Weidmann. In diesem Jahr haben die Jagden
zu Hubertusstock, Letzlingen, Saupark, der Göhrde und im
Grunewald bereits stattgefunden. Möge es den Schlössern noch
viele Jahre vergönnt sein, den erlauchten Weidmann und
allverehrten Herrscher aufzunehmen.
A. Hertefeld
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